Shepard von Levenberg

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    Benjamins Geschichtensammlung

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    Benjamin Darijan


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    Beitrag von Benjamin Darijan Mi Aug 08, 2018 4:27 pm

    Sie öffnete die Augen. Ihr Bein war noch schwach, weswegen sie sich auf den moosbedeckten und feuchten Waldboden sinken ließ. Nur der Mond schien schwach durch den dichten Nebel der Nacht und offenbarte etwas, was an eine überwucherte Auffahrt erinnerte. Mit viel Vorstellungskraft konnte man noch soetwas wie Spuren von Kutschenrädern erkennen, selbst wenn der Ort eher den Anschein erweckte, dass hier seit Jahrzehnten niemand mehr entlang fuhr.
    Links und rechts wuchsen dichte Dornengewächse und nach oben hin berührten alte Kiefern beinahe den Himmel. Ein wahrlich verlassener Ort.
    Sie richtete sich langsam wieder auf und klopfte sich die Wollrobe sauber. Ein kurzer Blick nach links, ein kurzer Blick nach rechts, dann zog sie ihre Kapuze zurück und ließ eine kleine helle Kugel arkaner Energie in ihrer Hand erscheinen, der es ihr wenigstens ermöglichte auf dem Weg zu laufen, ohne fürchten zu müssen zu stolpern.
    Der Weg führte nördlich einen Abhang hinauf und mit jedem Schritt fühlte sie das Moos unter sich nachgeben.

    Niemand war hier.
    Nach wenigen Augenblicken erreichte sie die Überreste eines Gittertors, rostig und verbogen. Eine geduckte Haltung genügte und sie schlüpfte hindurch. Dahinter lagen die Trümmer eines kleinen Hofes, zerstörte Steinfiguren und Möbel, die zu kleinen Barrikaden aufgestapelt wurden. Wieder schob sie sich vorsichtig vorbei und stand dann vor dem einst eindrucksvollen Gebäude, von dem nun nur noch einzelne Wände standen, die zudem in Efeu gehüllt waren. Das Dach muss einst gebrannt haben, die Eingangstür wurde zertrümmert und gab einen kurzen Einblick auf etwas, was einst eine schmuckvolle Eingangshalle gewesen sein muss. Erneut sank sie auf die Knie und berührte einen feuchten Ziegelstein, der vor ihr lag. Sie holte tief Luft und senkte den Blick, woraufhin ihre blonden Haare in ihr Gesicht fielen.
    Sie spürte einen lautlosen Luftzug neben sich und die Äste der Bäume bewegten sich im Wind.
    Eine seltsame Gestalt stand neben ihr. Ein Mann, im gehobenen Alter. Ein Diener im grauen Haar, mit ordentlich gestutzem Bart und einer Brille, die locker auf der eher an einen Vogel erinnernden Nase saß.

    Sie strich sich die blonden Haare aus dem Gesicht und richtete die Hand mit der arkanen Kugel in Richtung der Gestalt. Erst erweckte es den Anschein als würde sie nicht reagieren, dann jedoch drehte sich der Kopf und sah ihr direkt in die Augen, sofern man das bei dem geisterhaften Abbild sagen konnte.
    „Howard, seid ihr es?“, fragte die blonde Frau vorsichtig und richtete sich derweil auf.
    „Ihr wisst, ich würde Euch helfen, doch in meinem derzeitigen Zustand würde ich einfach durch Euch hindurchgleiten, Lady Galinda.“, antwortete eine vornehme Stimme, die doch gespenstisch nachhallte.

    Galinda verengte die Augen und richtete wieder die arkane Kugel auf den Diener und erkannte einen Waschbären durch die Brust des Mannes, der durch das Licht im Gestrüpp verschwand.
    „Ihr seid lang nicht hier gewesen, Lady Galinda.“, sagte Howard und drehte den Kopf wieder in Richtung des Gebäudes.
    Er hatte Recht, Galinda war nie wieder hier, seit der dritte Krieg ausgebrochen ist. Sie hatte es sich immer wieder vorgenommen, doch es kam nie dazu.
    „Die Geißel…“, begann Galinda zu sprechen, wurde doch prompt von der geisterhaften Stimme unterbrochen.
    „Die Geißel hat nur die östliche Seite des Gebäudes zerstört. All das ist der Verdienst einer viel dunkleren Gefahr. Kommt, gehen wir ein Stück.“
    Galinda atmete schwer durch die Nasenlöcher aus, doch entschied sich dagegen mit einem Geist zu diskutieren.
    Gemeinsam gingen sie den Weg wieder hinab, am Gitter vorbei über eine Brücke und bis zu etwas, was aussah wie ein kleines Dorf. Oder eher wie das, was mal ein Dorf war. Abgeplatzter Putz, vernagelte Fenster, zertrümmerte Türen, wieder waren hier und dort Möbel zu Barrikaden aufgetürmt.
    „Der verzweifelte Versuch eines Volkes sich zu verteidigen gegen die Eindringlinge.“, erklärte der Geist erneut und glitt durch eine der Barrikaden durch und erschien auf ihr sitzend wieder.
    Galinda wandte den Blick hinauf zum Diener, der dort oben zwischen einem alten Stuhl und einem umgedrehten Tisch mit drei Beinen saß.
    „Was ist hier geschehen?“, fragte Galinda.
    Der Geist zeigte auf die Richtung aus der sie kamen.
    „Die Verlassenen waren auf dem Vormarsch, nachdem die Gefahr der Geißel gebannt war. Sie waren in der Überzahl und wir lebten nun in ihrem Land. Lord und Lady Dragmire waren an anderen Orten eingespannt, so verteidigten wir uns selbst.“
    Galinda zuckte mit der Nase und hob die Brauen.
    „Lord und Lady Dragmire sind gestorben. Kurz nachdem Todesschwinge über die Länder hinwegwütete.“, entgegnete Galinda mit einer ruhigen Portion Zorn in der Stimme.
    „Dann seid ihr auch ein Geist?“, fragte der Geist von der Barrikade die nun mehr und mehr wie der Sitz eines Richters wirkte.
    „Offensichtlich nicht, nein.“, entgegnete Galinda erneut.
    „Wo seid ihr gewesen? Hochwalden brauchte euch, dringender als jemals. Und ihr seid nicht gekommen!“
    Der Geist glitt wieder durch die Bretter und Hölzer der Barrikade und erschien vor Galinda.
    „Mein Bruder…“, entgegnete Galinda und richtete die arkane Kugel wieder auf den Geist.
    „… ist hier gestorben. Im aussichtslosen Krieg gegen die untoten Heerscharen.“, ergänzte der Geist und kam ihrem Gesicht ganz nah.
    „Solang die dunkle Waldläuferin in Lordaeron regiert wird es nie Frieden für uns geben.“, sagte der Geist und ging wieder um Galinda herum.
    „Wo sind die anderen Geister?“, fragte sie und blickte sich um.
    „In ihren Reihen.“, antwortete der Geist und verschwand daraufhin in der Dunkelheit.

    Einen Moment später öffnete sie wieder die Augen und hockte noch immer vor den Trümmern des Anwesens. Sie wollte weinen, doch sie konnte nicht. Sie zerdrückte die arkane Kugel und teleportierte sich hinfort.

    Als sie die Augen erneut öffnete erkannte sie am Horizont Lordaeron und die Belagerungstürme der Allianz.

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